Ich dachte, in unseren Dörfern muss niemand mehr verhungern

Wenn eine Gruppe des Vereins FOCUS e. V. zu einer Begegnungsfahrt nach Silly, der Partnerstadt Viernheims in Burkina Faso, aufbricht, sind außergewöhnliche Momente immer gegeben. In dem nachfolgenden Bericht schildert die Reiseteilnehmerin Erika Hofmann ein tiefgreifendes Erlebnis, das sie ihr ganzes Leben nicht mehr vergessen wird.

 

Während unseres Aufenthalts in Burkina Faso war auch der Besuch etlicher Schulen in den Dörfern angesagt. Als wir am letzten Tag unserer Reise nach Nevri kamen, waren schon viele Menschen versammelt, die uns begrüßen wollten. Viele Schülerinnen und Schüler waren da, obwohl es eigentlich ihr schulfreier Tag war. Andreas aus unserer Reisegruppe machte seine Späße mit den Kindern, die immer wieder lachend und schreiend auseinanderstoben, sobald er auf sie zu rannte. Ich war mit meiner Kamera unterwegs und fotografierte die Kinder, die Lehrer, die Schulräume. Eine ältere Frau, die mit einem kleinen Kind auf den Stufen des Schulgebäudes saß, fiel mir sofort auf.

Dann zeigte uns der Direktor der Schule einen Jungen, der nicht laufen konnte. Er war an der Kinderlähmung erkrankt. Ich musste an den Werbespruch denken: Schluckimpfung ist süß, Kinderlähmung ist grausam. Auch ein Mädchen mit seltsam verwachsenen Knochen wurde uns gezeigt. Hier war uns nicht klar, was für eine Krankheit das war. Es wurde mit dem Direktor besprochen, dass wir versuchen würden, diesen Kindern zu helfen.

Nachdem die Fußbälle und T-Shirts für die Schulkinder übergeben worden waren, ging es wieder zum Bus zur Weiterfahrt ins nächste Dorf. Wir waren schon abfahrbereit, als der Direktor mit ein paar Erwachsenen nochmals zum Bus kam und uns bat, noch einmal auszusteigen. Da war sie wieder, die alte Frau mit dem Kind. Und der Lehrer erzählte uns das traurige Schicksal. Das Kind, ein Junge von ca. anderthalb Jahren, hatte beide Eltern verloren. Es hing ganz apathisch an der alten Frau, die wohl die Stiefmutter war. Offensichtlich war das Kind noch nicht gewohnt andere Nahrung als Muttermilch aufzunehmen. Mittlerweile war es schwer unterernährt. Die Stiefmutter war mit dem Kind schon in der Gesundheitsstation gewesen. Jetzt stellt sich jeder wahrscheinlich einen Krankenwagen vor, der kommt um Kranke zur Gesundheitsstation zu bringen. Das ist aber gar nicht möglich, weil es keine Krankenwagen gibt und in der Regenzeit sowieso kaum noch ein Auto durchkommt. In der Regel fährt man mit dem Fahrrad, bestenfalls mit dem Motorrad: Der Fahrer, das kranke Kind und die Begleitperson. Aber in der karg ausgestatteten Gesundheitsstation konnte man dem kleinen Jungen nicht helfen. Man sagte der Frau, dass das Kind ins 80 km entfernte Krankenhaus in Leo müsste. Also fuhren sie wieder in ihr Dorf und es geschah – nichts. Wir standen um die Frau mit dem Kind herum und es war klar, dass jetzt ganz schnell etwas geschehen musste.

Ich fühlte mich beschämt. Mit der Gruppenkasse im Gepäck, hatte ich sozusagen „die Taschen voller Geld“ und hier wäre fast ein Kind gestorben, weil es an einem vergleichbar geringen Geldbetrag mangelt.

Am nächsten Tag fuhren wir zurück in die Hauptstadt Ouagadougou, da für abends unser Rückflug geplant war. Von hier aus wurde einer unserer Fahrer mit Bouma, unserem Übersetzer, zurückgeschickt ins Dorf, um alle drei Kinder ins Krankenhaus von Leo bringen.

In Deutschland erreichte uns dann die gute Nachricht, dass der Mädchen, das an Osteomyelitis erkrankt war, inzwischen operiert wurde, der Junge mit der Kinderlähmung in ein kirchliches Spezialkrankenhaus mit dem schönen Namen "Yiki n kiene" auf Deutsch "stehe auf und laufe“ gebracht wurde und unser kleiner Junge über eine Sonde ernährt und stabilisiert wurde.

Der kleine unternährte Junge war ca. 3 Wochen im Krankenhaus und erholte sich schnell und hat inzwischen das Krankenhaus verlassen. Das operierte Mädchen, Solange, ist inzwischen auch wieder zurück. Der Junge mit der Kinderlähmung ist seit 10 Wochen im Krankenhaus und muss noch ein paar Wochen bleiben.

Erika Hofmann

 

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Stichwort: Kranke Kinder Névri